Unsere Freizeit

Sonntags hatten wir immer alle beide frei und legten dann unser Programm meistens schon für den ganzen Tag fest. Oft fuhren wir nach Luque auf die Estanzia Don Alberto, um uns abwechselnd das Hinterviertel wund zu reiten. Wir waren beide leidenschaftliche Reiter, und so kam es öfters zum Krach, weil nur ein Pferd da war.

An anderen Sonntagen gingen wir wieder ins Kino, was jedes Mal ein Erlebnis für sich war. Selbstverständlich nahmen wir nur die billigsten Plätze, denn unser Geld war immer sehr knapp. Auf dem Wege zum „Teatro National“ rechneten wir dann aus, wieviel Pesos uns auszugeben gestattet waren, und das wurde dann meistens auch eingehalten.

Also wie gesagt, nahmen wir die billigsten Plätze, und hatten demzufolge bis unter das Dach des zirkusähnlichen Hauses hinaufzuklettern. Meistens kamen wir dann noch zu spät, so dass die ganze fünfte Etage des Riesenlichtspielhauses voll besetzt war. Natürlich waren da keine nummerierten Sitzplätze aufgestellt. Oh nein, hinter der Brüstung des hufeisenförmigen Balkons standen mehrere ungepolsterte Bänke, auf denen das minderbemittelte Volk, vor allem die Jugend von Asuncion, herumlümmelte. Hinter den vordersten Bänken drängten die nächsten Reihen nach, so dass man das Gefühl hatte, zerdrückt zu werden.

Aber nicht allein, dass in diesem Affenkäfigeine ungeheure Hitze herrschte und für deren Milderung keinerlei Entlüftung sorgte, man musste sich auch noch ein furchtbares Gebrüll anhören, das beim Aufrollen des, mit Reklame beschrifteten Vorhanges, seinen Höhepunkt erreichte.

Paraguay war ein armes Land, das es sich nicht leisten konnte, eine eigene Filmgesellschaft zu gründen. Aus diesem einfachen Grunde wurden immer ausländische Film gezeigt, in fremden Sprachen, nur mit spanischen Untertiteln. Oft waren auch deutsche Filme auf der Leinwand zu sehen, die aber immer schon so abgespielt waren, dass man kein Wort mehr verstehen konnte.

Aber, um Paraguay nicht ganz seiner Unkultiviertheit zu bezichtigen, sei gesagt, dass ich in den zwei Jahren meines Aufenthaltes dort auch zwei Filme in spanischer Sprache gesehen habe, die wahrscheinlich in Argentinien hergestellt worden waren.

Jedenfalls freuten sich alle Kinobesucher, wenn denn der Vorhang langsam aber sicher in die Höhe ging und die alte schäbige Leinwand sichtbar wurde. Dann dauerte es noch eine geraume Zeit, bis alle Fenster geschlossen waren, der mörderische Krach aufgehört hatte und die ersten Bilder, meistens noch auf dem Kopf stehend, vor unseren Augen abrollten. Selbstverständlich setzte dann sofort wieder der Höllenlärm ein und alle Fenster waren im Handumdrehen abermals geöffnet. Nun fing das gleiche nervenzerrüttende Spiel von neuem an, bis dann endlich der Film ordnungsgemäß auf der Leinwand erschien.

Gewöhnlich saßen wir so vier bis fünf Stunden in diesem Schwitzkasten, und alle waren glücklich, wenn sie nach ewigem Drücken und Stoßen endlich auf die Straße gelangten. Dann wurden alle verfügbaren Cafés mit Durst und Eishunger bestürmt.

Auch Günther und ich konnten dieser Sehnsucht nach etwas Erfrischendem nicht widerstehen, und so ließen wir uns, nach einem kurzen Blick auf das kommende Programm, ebenfalls in eine der Eisdielen hineindrängen. War unser Durst gelöscht, dann machten wir einen Spaziergang am Rio Paraguay, in dem dann ausreichend gebadet wurde.

Das Ufer des Flusses war ein beliebter Tummelplatz für dienstfreie Soldaten, Waschweiber und Kinder. Selbstverständlich badete dort, mitten im Stadtpark, keine eingeborene Frau, sondern ausnahmslos Männer, und natürlich nur nackt. Das war erstens viel bequemer, zweitens bedeutend billiger und drittens kannte man dort nicht eine solche Scham wie in europäischen Ländern. Auch Günther und ich dachten daran, unsere Badehose auszuziehen.

Wir hatten nun reichlich Gelegenheit, die Kunst des Schwimmens in allen Formen zu erlernen. Mir machte vor allem das Tauchen die größte Freude.

Einmal musste mein Bruder seine Schwimmleidenschaft auch mit dem Biss eines Piranas bezahlen. Diese Fische, nicht größer als Karpfen, sind äußerst gefährlich. Da sie nur in großen Massen auftreten, sind sie im Stande, einen Menschen in wenigen Minuten aufzufressen, sobald sie Blut gerochen haben. Günther hatte aber Glück. Er wurde nur an der großen Zehe gebissen und machte dann schleunigst, dass er aus dem Wasser kam.

Hatten wir uns nun genug im Wasser ausgetobt, dann machten wir noch einen Spaziergang durch die Straßen der Stadt, oder Günther ging mit zu mir, wo wir noch immer viel zu erzählen hatten, und oft auch von unmöglichen, aber goldenen Zukunftsträumen plauderten.

Die Zeit verstrich. Tage und Wochen vergingen wie im Fluge und, wenn man zurückblickte, schienen es nur Stunden gewesen zu sein.

Günther hatte in jener Nacht, in der er bei uns geschlafen hatte, ein paar Sandflöhe zurückgelassen, die sich in kürzester Zeit ins Unzählige vermehrt hatten, und dem ehrenwerten Don Felix Genes und mir qualvolle Tage und Nächte bereitet hatten.

Uns waren natürlich diese liebenswerten Tierchen nichts Neues, aber es war doch immerhin eine Quälerei, und wir hatten oft ganze Abende mit dem Entfernen dieses Viehzeugs zu tun.

Der Wellblechpalast meines Chefs hatte sich in der Zeit meines Daseins sehr zu seinen Gunsten verändert. Außerdem standen auch überall Blumen und der Garten war gepflegt, sodass man sich jetzt schon ein bisschen wohlfühlen konnte. Herr Genes bemerkte das auch alles und war froh, eine solche tüchtige Kraft gefunden zu haben. Mir dagegen kam es gar nicht so vor, als würde ich mit meinem Chef zusammenarbeiten. Es war vielmehr ein Verhältnis wie zwischen Freunden.


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