Verstärkter Kontakt zu meiner Mutter

Unaufhaltsam schritt die Zeit vorwärts. Die Briefe, die aus Deutschland kamen und nach Deutschland gingen wurden immer zahlreicher. Zu Weihnachten kam das zweite Paket. Es hatte ein Gewicht von zwanzig Kilogramm. Da war natürlich die Freude groß! Und was da alles drin war! Kaum auszudenken. Alles, was ein Kinderherz erfreuen konnte, und noch viel mehr. Neue Kleidung, Schokolade, Waschzeug, Schreibwaren und noch vieles, was ich heute gar nicht mehr alles aufzählen kann. Mein Bruder bekam natürlich von allem genau die Hälfte, obwohl er sich keinerlei Mühe machte, das Paket zu tragen, geschweige denn, die nötigen Formalitäten zu erledigen. Das überließ er großzügigerweise mir, ebenso, wie er auch nie nach Hause schrieb.

Meine Mutter ließ nichts unversucht, uns beide sobald als möglich zurückkommen lassen zu können. Sie knüpfte Beziehungen mit dem Deutschen Volksbund an, sie schrieb an Gesandtschaften, und was weiß ich, wo noch überall hin. Alle Hebel setzte sie in Bewegung, um uns recht bald bei sich sehen zu können.

Wenn sie Briefe schrieb, dann mussten das immer Luftpostbriefe sein, weil die schneller ankamen. Natürlich war das ein sehr teures Vergnügen und sie konnte sich keine Straßenbahnfahrt leisten. Immer ging sie zu Fuß, und war der Weg noch so weit. Das Geld musste gespart werden! Wenn sie auch vor Ermüdung manchmal umsank, so war ihr das alles gleich. Die Hauptsache, die Jungens bekamen schnell Nachricht.

Unsere Antworten, oder besser gesagt: meine Antworten brauchten natürlich immer lange, bis sie ankamen, denn ich konnte sie nur selten mit Luftpost schicken, weil mir das Geld dazu fehlte. Später hatte ich dann Gelegenheit, die Briefe durch die “Union Germanico“ kostenlos zu befördern. Auch das hatte meine Mutter von Deutschland aus in die Wege geleitet. Der Deutsche Volksbund war im Allgemeinen eine sehr praktische Einrichtung, und man konnte da alles erfahren, was für die Deutschen wichtig war.

Vater hatte seine Farm in Luque inzwischen wesentlich erweitert und ausgebaut. Auch der Viehbestand war sehr gewachsen, und er hatte eine richtige Schweinezucht angefangen. Die Eingeborenen in Paraguay können sich ja kein Schweinefleisch leisten, weil es zu teuer und zu selten zu haben ist. Ausgesprochene Schweineschlächtereien habe ich in Paraguay nur zwei kennengelernt, und diese waren von Deutschen betrieben.

Man musste nun bedenken, das Südamerika ein sehr heißes Land ist, aber ein gesundes Klima hat. Will man also Lebensmittel aufbewahren, wie das bei Schweinefleisch immer der Fall sein wird, dann müssen schon die nötigen Voraussetzungen dafür vorhanden sein. Kühlmaschinen und derartige neumodische Apparaturen waren aber zu der Zeit, in der ich dort war, noch sehr selten. Deshalb gab es auch wenig Schweinefleisch. Die Hauptsache war jedoch, dass wir überhaupt genug zu essen hatten. Und es gab ja genug Rinder!

Also, wie gesagt, Vater hatte seine Farm wesentlich vergrößert, und wenn ich ihn besuchte, dann musste ich immer wieder staunen, wie schnell er sich empor arbeitete.

Auf seinem Grund wuchs alles erstklassig, und seine ungezählten Glucken brüteten fast das ganze Jahr hindurch aus schönen großen, runden und spitzen Eiern, entzückende kleine Küken aus. Dann dauerte es wiederum gar nicht lange, bis diese Küken selbst Eier legten. Man konnte beinahe darauf warten. Auch die größeren Haustiere handelten eifrig nach dem Gesetz Gottes: “Liebet Euch und vermehret Euch.“

So war zum Beispiel auch der Kuhbestand ansehnlich in die Höhe geklettert (ich meine natürlich an der Zahl). Nur die beiden Ochsen, Lindo und Manzo (das heißt auf Deutsch: schön und zahm) waren einsam geblieben und alt, sahen sie auch schon aus. Wahrscheinlich kam es davon, weil sie jeden Tag den großen hölzernen Karren ziehen mussten. Dazu wurde an ihre Hörner ein schweres Joch gebunden. Das dumme an diesen Ochsen war, dass man bei ihrer Geburt die Namen verwechselt hatte. Der Manzo war nämlich bedeutend schöner als der Lindo und der Lindo wiederum bedeutend zahmer als Manzo. Im Kreislauf des täglichen Lebens spielte das natürlich absolut keine Rolle und die beiden zogen auch mit vertauschtem Namen ihren Karren weiter und fraßen in friedlicher Ruhe ihre Kokosblätter.

Nun muss ich aber gleich das Thema Kokosblätter einmal kurz festhalten.

Bei Koksnüssen, denkt man unwillkürlich an Nüsse. Es handelt sich dabei aber nicht um solche Nüsse, wie man sie in Deutschland kennt, sondern es ist eine ganz andere Art von Nüssen, die ich meine. Der Baum, an dem hier die Nüsse wachsen, ist eine Palme die bis zu 20 Meter hoch werden kann, aber im Durchschnitt nur etwa ein Drittel so hoch wird.

Wie Palmenblätter aussehen, weiß man ja. Aber die südamerikanische Palme ist etwas Besonderes. Man denke sich einen Strunk, daran drei Reihen lange schmale Blätter und dazwischen ein eisenharter Stachel am anderen. Das sind die Blätter. Nun kommen die Früchte!

Diese Nüsse sind eigentlich gar keine richtigen Nüsse. Außenherum sitzt eine Schale, ähnlich wie bei den Hühnereiern. Darunter ist das Fleisch, eine ölige, faserige gelbe Masse. Unter diesem eben geschilderten Zeug befindet sich der Kern, in diesen befindet sich ein weiterer Kern, der essbar ist. Er schmeckt wie Haselnuss und sieht auch so aus. Aus den Früchten wird in einer, eigens zu diesem Zweck bestehenden Fabrik, Seife, Futtermittel und Öl hergestellt.

Manche Farmer lassen auch die Nüsse, die selbst von den Palmen fielen, für die Rinder liegen, die sie sehr gern fressen. Beim Wiederkäuen spucken diese dann die Kerne wieder aus und man braucht nur die Haufen zu suchen, sie in einen Sack zu stecken und in die Futterfabrik zu befördern. Dort kann man dann gleich Öl und Seife dafür mitnehmen.

Aus dem Stamm der Kokospalme werden von den Eingeborenen Schuppen und Häuser gebaut und das Innere des Stammes dient zur Herstellung von Käse.

Ich habe zwar solchen Kokosbaumkäse nicht gegessen, aber ich bin überzeugt, ein Brie ist doch etwas Besseres.

Das war nun ein bisschen Wissenswertes über die paraguyanische  Kokospalme.


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