Das Wunder: Mutter gelingt unsere Heimreise

Unsere Mutter fand einen Weg für unsere Heimreise von Paraguay nach Deutschland! Von ihrer Firma, bei der sie arbeitete, konnte sie sich einen Teil des Geldes leihen und dann erhielt sie noch die Möglichkeit der Schifffahrtgesellschaft, den Fahrpreis in Raten abzuzahlen.

Man wird verstehen, wie es einer Mutter zumute ist, die nach harten Kämpfen um ihre Kinder sieht, dass ihr Warten nicht umsonst gewesen ist.

Natürlich konnten wir trotzdem nicht von heute auf morgen abfahren, denn es waren noch eine Menge wichtiger Papiere notwendig, ohne die man nun einmal nicht reisen kann.

Da mussten z.B. Reisepass, Gesundheitsbescheinigungen und Impfscheine ausgestellt werden. Auch ein Formular brauchten wir, in dem unser Vater schriftlich seine Erlaubnis zur Reise gab.

Dann kam der 25. April 1938. Morgens um 10.00 Uhr brachte mein Tischlermeister Herr Felix Jose Genes uns beide zum Flussschiff. Vor uns, in der prallen Sonne lag die „Argentina“, die uns nach Argentinien bringen sollte. Meinem Meister standen die Tränen wie große Glaskugeln in den Augen.

Mein Chef war bestimmt genauso unglücklich, wie ich glücklich war und ich rief ihm als letzten Gruß noch zu: „Und ich bin doch ein Gringo!“

in Buenos Aires angekommen holte uns ein Beauftragter der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrtsgesellschaft von Bord des Flussdampfers ab und brachte uns gleich auf die  „Monte Sarmiento“ , den Ozeanriesen. Am nächsten Tag trafen wir in Montevideo ein. Einige Tage später erreichten wir Santos.

Nun begann unsere große Fahrt über den Atlantischen Ozean. Das letzte Band mit Südamerika war zerschnitten. Es ging auf den Kontinent Europa zu, in dem Deutschland liegt.

„Du, Martin (Werner und Günthers Stiefvater), ich weiß nicht, ich habe so ein Gefühl, als ob die Jungen heute ankämen. Willst Du nicht einmal zur Bahn gehen?“

Das war ungefähr das Gespräch, das meine Mutter mit meinem Stiefvater am Morgen des 12. Mai 1938 führte.

Während der gleichen Zeit saßen Günther und ich im Schnellzug nach Leipzig. Um fünf Uhr neunundfünfzig müssten wir daheim sein. Ob uns wohl jemand von der Bahn abholen wird?

Wir hatten ja gestern von Hamburg ein Telegramm weggeschickt, das inzwischen angekommen sein müsste.

Unser Stiefvater hatte sich nach langem Hin und Her doch überreden lassen zum Bahnhof zu gehen, obwohl das Telegramm nicht rechtzeitig in Leipzig eingetroffen war. Er empfing uns Jungen dann herzlich am Bahnhof.

In der Wettinerstraße in Leipzig – eine wahre Tränenflut stürzte aus den Augen unserer Mutter, als sie uns sah. Hatte sie doch richtig geahnt, dass wir heute kommen würden. Immer wieder fragte sie ungläubig „seid ihr es wirklich?“  Und sie umarmte und küsste uns immer wieder aufs Neue.

Dann hörten wir ein Motorrad kommen. Ein Postbeamter trat herein und brachte das Telegramm.  „Zu spät, mein Lieber“, sagte mein Stiefvater, „die Jungen sind schon selbst da!“

Mutti hielt uns umschlungen und sagte nur mit großem Siegesbewusstsein und stiller Freude:
„Endlich“.

Zusatz: Brief der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrtsgesellschaft an die Mutter